Sanguma in Papua Neuguinea
Wir schlittern den regennassen Weg entlang, brauner Schlamm spritzt die Hosenbeine hoch. Der Weg führt vorbei an der Hütte des Toten. Links geht ein steiler Pfad zu einem kleinen Platz, von hohem Bambus umwachsen, zwei Hütten aus Holz und Stroh, Wäsche auf der Leine. Davor eine erloschene Feuerstelle.
Der Platz ist menschenleer. Kaum vorstellbar, dass hier gestern noch eine tobende Menge stand: hunderte Männer, Frauen und Kinder aus dem Dorf Oyarip, aber auch Schaulustige aus Nachbardörfern. „Kilim em!“ haben sie gerufen: Tötet sie! und „Kukim em!“ Verbrennt sie! In der Mitte standen zwei Frauen, Teno und Betty, nackt und mit gefesselten Händen vor den Flammen. Vier Männer hielten Eisenstäbe und Macheten ins lodernde Feuer. „Sag es jetzt, wie hast du es gemacht? Hast du ihm das Herz rausgerissen?“ brüllten sie und drückten das glühende Metall auf die Beine der Frauen.
Betty sah ihren Mann in der Menge stehen, er sagte kein Wort. Sie sah ihre sechs Kinder mit aufgerissenen Augen neben ihm. Sie sah die rotglühende Eisenstange, die sich erneut ihrem Bein näherte. „Ja, ich war es!“ rief sie. Das rettete ihr das Leben. Sie wurde losgebunden und konnte noch in der Nacht mit Hilfe ihres Mannes fliehen. Zwei Tage danach werden wir sie nahezu unverletzt im Dorf ihres Vaters aufspüren.
Teno stand neben ihr auf dem Platz und schwieg. „Sie hat keinen Schmerz gezeigt“, sagen die Frauen, die jetzt aus den Häusern gekommen sind und gestern dabei waren. Und sie machen lachend vor, wie Teno gefoltert wurde. „So war es“, rufen sie und verbinden sich die Augen. Sie stellen sich auf das Blech, so wie Teno auf dem Blech gestanden hat, erhöht, damit es auch alle sehen können. Sie binden ihre Hände an die beiden Holzstäbe, an die gestern noch Tenos Hände gebunden waren.
Hunderte von Menschen, die Nachbarn, standen um sie herum und schauten zu, wie die Männer aus dem Dorf Teno die Unterschenkel mit einem verbogenen Auto-Stoßdämpfer verbrannten; wie Tenos Brust, ihr Gesicht, und ihre Arme mit Macheten traktiert wurden. Sie wurden Zeugen, wie Teno heiße Eisenstangen in den Unterleib gerammt wurden. Drei volle Tage ging das so. „Wo ist Teno jetzt?“ fragen wir. Schulterzucken.
Der Bruder des gestorbenen Mannes taucht auf. Shorts, ärmellosen Muskelshirt, hippe Strickmütze. Nur der Lehm in seinem Gesicht verrät, dass er trauert. Vielleicht sei sein Bruder auch an Asthma gestorben, sagt er. Aber die „Sanguma“, die Hexen, seien auf jeden Fall schuld.
Sanguma, ein böser Geist, kann nach dem Glauben der Menschen in Papua Neuguinea in eine Person einfahren und für den Tod von Kindern und Männern verantwortlich sein. Nahezu jeder Tod, ob Herzinfarkt, Unfall oder das verbreitete Aids-Virus wird in diesem Land, in dem auf 10.000 Einwohner ein Arzt kommt, einer „Sanguma“ zugeschrieben. Und die muss ausgetrieben werden.
Schwester Lorena, eine Schweizer Franziskanerin, mit der ich unterwegs bin, lebt seit 38 Jahren in Mendi, einer kleinen Stadt auf der südlichen Hochebene von Papua Neuguinea. Sie kümmert sich um die Opfer der Hexenverfolgung, meist Frauen, in jüngster Zeit auch Männer. Und sie registriert einen dramatischen Zuwachs. „Als wir kamen“ sagt sie, „hörte ich manchmal, dass behinderte oder entstellte Menschen der Hexerei bezichtigt wurden. Aber was wir jetzt erleben, ist neu“. Im letzten Jahr hat es allein in der kleinen Provinzstadt Mendi und Umgebung sieben Fälle von Hexenverbrennung gegeben, Dunkelziffer unbekannt. „Vor allem die sexualisierte Gewalt, das Ausziehen der Frauen und die Folter, das gibt es erst seit zehn Jahren.“
Schwester Lorena ist unruhig. Irgendwo in der Nähe muss die Frau sein, die gestern gefoltert worden ist. Tot oder verletzt. Wir machen uns in ihrem kleinen Geländewagen auf den Weg. „Sista Lorena“, die hier nicht nur jedes Schlagloch, sondern auch jeden zweiten Menschen zu kennen scheint, hält immer wieder an. Sie legt den Menschen die Hand auf den Arm, streicht über ihre Wange – und fragt so ganz nebenher, ob sie nicht Teno gesehen haben. Lorena spricht „Tok Pisin“, die Hauptsprache des über 800 Sprachen reichen Landes. „Ja, Teno“, sagt schließlich ein Mann und schaut von seiner Gartenarbeit hoch. Und dann, nach einer langen Pause, zeigt er den Berg hoch: „Da oben wohnt sie.“
Heftiger Regen setzt ein, als wir das Auto am Anfang des steilen Pfades abstellen. Hohe Farne und Bananensträucher säumen den Weg. Da kommen ein paar Leute gelaufen. Eine Frau geht mit uns zu einem kleinen Haus, gleich neben ihrem eigenen. Es ist mit einem Vorhängeschloss gesichert. Die Frau hat den Schlüssel und öffnet die Tür. Auf das, was wir vorfinden, bin ich nicht vorbereitet.
Im Dunkel der kleinen Hütte liegt eine Frau auf einem Bambusgestell. Ihr Kinn und ihre Oberlippe sind verbrannt, ihr Mund ist blutig. Die Haut ihrer Schenkel ist weggeätzt. Die Brüste und der Bauchnabel sind schwarz, die Haut in Fetzen. Als Schwester Lorena Teno in den Arm nimmt, öffnet sie kurz die Augen. Sie lebt.
Draußen sammeln sich Menschen. Ein älterer Mann schwingt das große Wort. „Ihr dürft ihr keine Medikamente geben“ brüllt er in die Hütte hinein „und nichts zu trinken.“ Er hackt mit seinem Regenschirm in unsere Richtung. Unruhe macht sich breit. Schwester Lorena sitzt da, mit Tenos Kopf auf ihrem Schoß. Es gelingt ihr, einen Mann und eine Frau dazu zu bewegen, ein Laken zu organisieren. Durch den strömenden Regen, gefolgt von der Menschenmenge, wird Teno zum Auto getragen.
„Kommt bitte nicht wieder“ flüstert der Mann, der Lorena hilft Teno auf die Ladefläche zu bugsieren. „Wir kriegen hier sonst Schwierigkeiten.“ Das Wantok System (one talk) kettet hier die Menschen einer Sprache und eines Stammes aneinander. Ausscheren aus der Gemeinschaft und einer Sanguma helfen? Gefährlich.
Als wir abfahren, bin ich froh, durch das Rückfenster die Schar der Dorfbewohnern kleiner werden zu sehen. Jetzt gilt es nur noch, Teno zu trinken zu geben, ihren Kopf gegen die Schlaglöcher zu schützen – und sie wach zu halten.
Vor der Krankenstation der Mission wartet Schwester Gaudencia, die zweite Franziskanerin im Bunde. Die gelernte Krankenschwester strahlt eine große Ruhe aus. Mit sicherem Griff hebt die 78-jährige Teno aus dem Auto. Später, im Krankenzimmer, reibt sie ihre Unterschenkel mit Salbe ein und spritzt Morphium. Ein Krankenpfleger macht mit dem Handy Fotos der Verletzungen, und ich denke: „Gott sei Dank, sie ist in Sicherheit.“
Doch am nächsten Morgen, als wir am Frühstückstisch sitzen, kommt Schwester Gaudencia blass und erschöpft zur Verandatür des Schwesternwohnhauses hinein. Sie sieht uns an und sagt: “Sie ist heute Nacht gestorben.“
Die Berge sind verhangen, es ist neblig, und der Rauch der morgendlichen Feuer lässt die Landschaft um uns herum unwirklich aussehen. Das Flugzeug aus der 500 Kilometer entfernten Hauptstadt Port Moresby landet zwei Mal die Woche – wenn es nicht einfach wieder zurückfliegt, weil der Pilot „kein Loch in den Wolken gefunden hat.“ Eine Straße zur Hauptstadt gibt es nicht, dafür hohe Berge und dichten Dschungel.
Wir sind auf der Missionsstation Mendi. Hier betreiben Franziskanerinnen und Kapuzinermönche, eine Schule, eine Kirche, ein Tagungszentrum und ein Ausbildungszentrum für Katecheten. Und eine Krankenstation. Papua Neuguinea blieb – trotz deutscher Kolonisierung Ende des vorletzten Jahrhunderts, von der die „Bismarcksee“ und der „Mount Wilhelm“ zeugen – lange relativ unberührt. Ein Traumland für Forscher, auch die berühmte Ethnologin Margret Mead war hier.
Als die Schweizer Schwestern vor 30 Jahren hier landeten, trugen die Papuer noch Röcke aus Gras. Dann kam mit Wucht die Modernisierung. „Auch die Kirche“ sagt Schwester Lorena „hat große Fehler gemacht. Sie ist nicht behutsam genug auf die Menschen eingegangen.“
Der amerikanische Ölgigant Exxon Mobil, der die Gas und Ölvorkommen des Landes abschöpft, trifft auf die Welt der „Krokodilmänner“. Die chinesische Guadong Company baut ihre Industrieanlagen auf das Land der „Knochenmänner“. Moderne Eroberer brechen ein in diese festgefügte Welt der Männlichkeitsrituale, Ehre, Rache und Clankriege. In ihrem Gefolge kommen Alkohol, Marihuana und Christal Meth. Und mit den Handys kommt eine Flut von Pornografie. Das ist für Schwester Lorena der Hauptgrund für die eskalierende Gewalt und die steigende Zahl der „Hexenverbrennungen“. Das archaische Patriarchat ist entwurzelt, in dieses Vakuum stoßen die Möglichkeiten der westlichen Welt. Papua Neuguinea zählt heute zu einem der gefährlichsten Länder der Welt. Vor allem für Frauen und Kinder.
Schwester Lorena ist entschlossen, die Folter und den Mord an Teno anzuzeigen. Wir stehen vor der Tür von Ben Napote, dem Polizeichef von Mendi. „Nicht gerade mein Freund,“ flüstert Schwester Lorena. Erst langem Klopfen öffnet er. „Wir werden Ermittlungen einleiten“ sagt er matt und wendet sich wieder seinem Computer zu.
Bis 2013 war „Hexerei“ in Papua Neuguinea strafbar, und jeder, der einen Mord begangen hatten, konnte sich damit verteidigen, dass das Opfer ihn ja verhext habe. Das Gesetz hat sich geändert, die Sitten sind geblieben. Wie der Polizeichef zur Sanguma steht ist schwer zu sagen. Nicht nur bei einfachen Menschen, auch bei Richtern oder Ärzten lebt der Glaube daran bis heute. „Ja, wir glauben an böse Mächte und daran, dass Menschen von ihnen besessen sein können“ sagt der einheimische Pfarrer Father Nelson Matthew. „Ich gebe zu, das ist verwirrend, aber diese Geschichten kann man nicht mit dem Gesetz bekämpfen. Das Gesetz ist geschrieben, und das hier kommt aus einer anderen Sphäre.“ Die Methode des Pfarrers: Die Menschen vom Beten überzeugen.
Verfolgt wird eine „Hexenverbrennung“ bis heute kaum. Und wer sich einmischt, riskiert seinen Kopf, den der Familie, ja, des gesamten Clans. Die von außen kommenden Franziskanerinnen gehören nicht wirklich dazu aber auch für sie ist es riskant. Sie versuchen den Hass mit Liebe zu bekämpfen. „Bei uns in Europa“ sagt Schwester Lorena „ist es ja nun auch noch nicht so lange her, dass die letzte ‚Hexe’ - Anna Göldin - in der Schweiz hingerichtet wurde.“
Wir sitzen Wohnhaus der Schwestern am Esstisch. Das blau-weiße Haus mit zwei Veranden ist umgeben von einem blühenden Garten. Schwester Lukas, die sich um die Finanzen der Schweizer Schwestern kümmert, backt gerade einen Bananenkuchen. Da kommt Schwester Gaudencia herein. Sie ist außer sich. Der Krankenpfleger, der Tenos Verletzungen mit dem Handy fotografierte, hat die Bilder auf Facebook gepostet. Mittelalter meets Moderne.
Auch Fotos und Videos anderer Folterungen auf Papua Neuguinea kursieren bereits im World Wide Web. Gibt es schon einen Markt? „Diese Fotos hier haben sie uns eines Tages vor die Tür gelegt“, sagt Schwester Lorena und klappt ihren Laptop auf. Es sind leicht unscharfe Fotos, aufgenommen mit einer Panasonic Kompaktkamera, am 1. August 2012, zwischen 13.50 und 16.05 Uhr. Ich sehe eine nackte Frau mit verbundenen Augen, erst noch halb angezogen, später nackt und an Händen und Füssen gefesselt. „Das ist Christina“, sagt Gaudencia. Ein Feuer lodert, alte Autoreifen liegen daneben. Ich sehe Männer, fast ausschließlich Männer, die Zuschauer durch eine Kordel getrennt von den Tätern. Und man sieht drei Polizisten von der Polizeistation Mendi, sie stehen tatenlos in der gaffenden Menge. Um 15.12 Uhr taucht plötzlich eine Nonne auf den Fotos auf: Gaudencia.
Schwester Gaudencia hatte damals gehört, wie Kinder aufgeregt die Straße hinunterliefen. „Sanguma!“ riefen sie, „eine Hexenverbrennung!“ Gaudencia warf sich ins Auto und fuhr los. Als sie zum Platz kam, war er schon abgesperrt, „mit einer Schnur, wie bei einer politische Versammlung.“
Sie erkämpfte sich den Zugang und wurde mit glühenden Stäben attackiert. Noch drei Mal wagte sich die Ordensschwester zum Tatort, erst mit männlicher Unterstützung von Pflegepersonal und Pfarrer „Aber die hatten mehr Angst als ich.“ Dann allein. „Ich dachte, jetzt hilft nur noch Beten, und habe in die Menge gefragt: Wer betet mit mir? Und da haben sich tatsächlich 20 Frauen gemeldet.“ Irgendwann fing es an zu regnen und das Feuer erlosch.
Christina hat überlebt und ist von den Schwestern weit weg gebracht worden. Wir kennen nur die Stadt, Kundiawa, mit immerhin 11.500 Einwohnern: Aber wie das mit Schwester Lorena so ist, sie hält hier an und da, legt hier einen Arm um die Schulter und gibt da einen Nasenstüber. Nach zehn Minuten haben wir die Nachbarin von Christina im Auto, die uns zum Markt begleitet, auf dem Christina Betelnuss verkauft. Das Wiedersehen nach fünf Jahren ist bewegend.
„Es fing heftig an zu regnen und das Feuer erlosch,“ fährt Christina mit ihrer Geschichte fort. Wir sitzen in einer Kirche, auch jetzt prasselt der Regen auf das Wellblechdach. „Ich war ganz nackt, der Schlamm war meine Kleidung, er hat mich ganz bedeckt. Dann wurde ich ins Männerhaus gebracht. Die Männer zerrten an meinem Bauch herum, sie wollten, dass irgendetwas aus mir rauskommt. Das Böse vermutlich.“ Christina lacht. Sie hat Rasterlocken und ein sehr keckes Lachen. Und so kann man sich die Geschichte, die sie nun erzählt, gut vorstellen. „Ich wusste, dass ich ihnen etwas liefern muss. Ich wollte überleben. Ich dachte die ganze Zeit an Jonathan, meinen Sohn, und an meine Mutter.“ In einem unbeobachteten Moment griff Christina zu einem Stein und führte ihn in sich ein. Und dann gebar sie „das Böse“. Stolz wurde der Stein von den Männern dem versammelten Dorf präsentiert. Die Sanguma war raus.
In diesen Tagen treffen wir vier Frauen, die eine Hexenverbrennung überlebt haben. Alle wurden für den Tod eines Mannes verantwortlich gemacht. Alle wurden vor einer tobenden Menge nackt ausgezogen. Alle standen mit verbundenen Augen vor einem Scheiterhaufen in der Mitte eines Dorfplatzes. Alle wurden mit glühendem Metall gefoltert und haben Narben am ganzen Körper.
Wie die traurige Margret mit ihrem traurigen Sohn Lexi. Der Siebenjährige hat alles mit ansehen müssen. Er sitzt regungslos auf dem Stuhl neben Margret und schaut die ganze Zeit zu Boden. Margret kann es immer noch nicht fassen, dass ihr das wirklich passiert ist. „Ich war doch aktives Gemeindemitglied, 13 Jahre lang. Eingebettet in der Gemeinschaft. Und hatte viele Freunde.“
Und da ist die selbstbewusste Stella, die seit einem Jahr mit ihrer Tochter auf der Flucht ist. Als Lieblingstochter eines wohlhabenden Häuptlings hat sie einmal viel Land besessen, sehr zum Ärger ihrer Brüder. Drei Mal wurde sie der Hexerei bezichtigt, aber es wollte nicht so recht klappen. Als beim dritten Mal das schwarz-magische Bambusrohr, gefüllt mit den Haaren und Nägeln des Verstorbenen, wieder nicht auf Stella zeigte, halfen ihre Brüder kurzerhand nach. Sie riefen: “Nenne den Namen von Stella“. Und so geriet die missliebige und anmaßende Schwester endlich unter Beschuss. Die „Hexe“ wurde verjagt. Sie versteckt sich seitdem an wechselnden Orten. Ihr gesamter Besitz fiel in die Hände der Brüder.
Was sind das für Männer, die so etwas tun? Wir haben eine Verabredung mit einigen von ihnen. Auf einem kleinen Platz hinter dem Markt warten sie schon auf uns. Max ist dabei, er hat Margret foltern lassen, „um den Tod meiner Frau zu rächen“. Woran seine Frau denn gestorben sei, wollen wir wissen. Die Antwort kommt zögerlich. „An Blutungen in der elften Schwangerschaft.“ Pause. „Und an der Sanguma.“ Neben ihm steht Jackson. Er arbeitet bei einer großen Ölfirma. Auch er hat bei Margrets Folterung zugesehen. „Wir haben eine Methode gefunden, das Böse zu vertreiben,“ sagt er in fließendem Englisch. In Tok Pisin fügt er hinzu: “Und dann kommt eine Ratte aus dem Mund. Oder ein Vogel oder eine Katze.“ Die anderen Männer nicken.
Der Regen hat aufgehört, die Sonne strahlt. Heute ist ein ganz besonderer Tag. Eine „Friedensfeier“ wird stattfinden, die Versöhnung von zwei Dörfern. Nach vielen Jahren des Kampfes mit sieben Toten. Und Schwester Lorena wird eine tragende Rolle spielen. Sie hat in ihrer Zeit hier vier große Sippenkämpfe mit über 300 Toten erlebt. „Da war ich mittendrin im Kampffeld. Ich schlief in den Buschhäusern, und abends am Feuer haben mir die Häuptlinge erzählt, wo es sicher ist.“ Sie war die einzige, die blieb. Die einzige, die sich um die Verletzten kümmerte, auf beiden Seiten. Das hat ihr Respekt verschafft. Und es hat Folgen. Folge Nummer eins: Es gibt heute 45 Lorenas, zwischen zwei und 25 Jahren, in Mendi und Umgebung. Folge Nummer zwei: Schwester Lorena wurde zur Vermittlerin von verfeindeten Stämmen. So auch jetzt. Das Dorf Upa 1 und das Dorf Upa 2 wollen dem Morden ein Ende machen.
Wir stehen auf einer großen Wiese in den Bergen, in der Schweiz würde man Alm dazu sagen. Etwa 1000 Menschen sind zusammengekommen. Auf der einen Seite: Upa 1, auf der anderen Upa 2. Dazwischen ein See. Die Brücke zwischen den Dörfern ist bei den Kämpfen eingestürzt. Zwei Holztische, zwei Megaphone. Über den See hinweg schallen jetzt die Friedensbotschaften. „Es war falsch, was wir getan haben“ kommt von Upa 1. „Wir bereuen“ von Upa 2.
Doch dann wollen die Krieger von gestern nochmal zeigen, wie so ein Krieg aussieht. Sie robben mit schwarzgemalten Gesichtern und Waffen durchs Gelände. Dass es ihnen noch immer Spaß macht, ist unübersehbar. Doch dieses Reenactment, diese Trauertherapie könnte dazu beitragen, die Grausamkeiten zu verarbeiten.
„Jetzt muss ich auf die andere Seite gehen, das ist ganz wichtig“ sagt Schwester Lorena. Und bevor sie mit ihrem Habit ins Wasser geht flüstert sie mir noch den Plan für das nächste Jahr zu: “Genau dasselbe will ich mit den Opfern und Tätern der Hexenverbrennungen machen.“
Und das ist erst der Anfang. Schwester Lorena hat viel vor: Sie möchte den Fall von Margret vor Gericht bringen. Das wäre der erste Prozess wegen „Hexenverbrennung“ in Papua Neuguinea. Und sie plant ein Zufluchtshaus für die Opfer. In ihren Augen sehe ich ein kleines tatendurstiges Leuchten.
Hilfsprojekt für Frauen in Gefahr
Schwester Lorena hat in Kooperation mit missio in Aachen ein langfristiges Hilfsprojekt für Frauen gestartet, die als angebliche Hexen verfolgt werden. Wer die mutige Ordensfrau dabei unterstützen will, kann mit einer Spende viel bewegen. Weitere Informationen finden sich unter www.missio-hilft.de/chrismon
Spendenkonto
missio Aachen
Verwendungszweck: Schwester Lorena
IBAN: DE23370601930000122122