Mein Denkmal I My monument

Haben Sie ein Denkmal verdient? Und wenn ja, wofür? Bettina Flitner baute im Frühling 1994 ihr Studio einige Wochen lang in den Räumen der "Selbsthilfe" des Kölner Stadtteils Chorweiler auf, der als sozialer Brennpunkt gilt. Für ihre Antworten standen den Frauen die Utensilien klassischer Denkmäler zur Verfügung 12-teilige Arbeit, hier eine Auswahl

Do you deserve a personal monument? And if yes, for what? Bettina Flitner set up her studio for a few weeks in the spring of 1994 in the rooms of the "Selbsthilfe" (self-help) of the Cologne district of Chorweiler, which is considered a social hotspot..’ For their answers, the women could chose the equipment of classical monuments. 12 piece work - here a selection

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Mein Name ist Jasmina Dubbel. Ein Denkmal? Für den ewigen Kampf! Ich muß alles alleine durchziehen. Muß halb Mann, halb Frau sein. Mein Vater ist Tscherkesse, das ist ein turkmenisches Reitervolk. Ich will immer sagen können: Das habe ich gemacht. Ich!

My name is Jasmina Dubbel. A monument? For my never-ending struggle. I have to do every-thing all on my own. I have to be half man and half woman. My father is a Circassian, descending from Turkmenian horsemen. I want always be able to say: I did it myself. All by myself.

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Mein Name ist Margarete Schulze. Ich möchte ein Denkmal dafür, dass ich so viel durch hab’. In Zwickau in der Milchbar gearbeitet. 500 Mark im Monat und sechs Kinder. Mein Erster ist im Krieg gefallen. Mein Zweiter - immer zu Hause, herzkrank. Mein Jetziger hat es am Rücken, nur Sitzen und Liegen geht. Aber ich, ich kann steppen.

My name is Margarete Schulze. I deserve a monument for all the suffering I’ve gone through. I used to work a milk bar in Zwickau: 500 marks a month and six kids to feed. My first husband was killed in the war. My second was always at home – with heart trouble. The one I have now has a bad back, he can only sit or lye down. But me, I can tap-dance.

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Mein Name ist Karolina Kraskiewicz. Einmal im Jahr habe ich so ein Alptraum: Ich geh’ spazieren und pflücke Blumen. Plötzlich geht da eine schwarze Klappe auf: Da kommt was raus...so was Schleimiges. Und dann zieht es mich ’rein. Wenn ich aufwache, habe ich Bauchschmerzen. Vielleicht kann da stehen: Ein Denkmal gegen Vergewaltigung von Kindern und Frauen.

My name is Karolina Kraskiewicz. Once a year I have this nightmare. I am going for a walk picking flowers. All of a sudden a black lid opens: something slimy comes out... and pulls me in. When I wake up, I have stomachache. Maybe you could write: A monument against rape of children and women.

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Mein Name ist Renate Zingen. Ein Denkmal...? Manchmal stehe ich im Kiosk und denke: Was stehst Du hier in der Kamellebud, anstatt in Berlin im Bundestag? Meine beiden Kinder habe ich allein großgezogen. Daniel hat einen afrikanischen Vater, ihm fehlt das Selbstbewußtsein, genau wie mir. Wir müssen beide kämpfen.

My name is Renate Zingen. A monument? Sometimes I stand in my cigarette kiosk and think: Why are you standing here in the sweet shop instead of in Parliament in Bonn? I brought up both children alone. Daniel has an African father. He lacks self-assurance, just like me. We both have to struggle.

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Mein Name ist Maria Blanke. Mein Denkmal ist für meine unveröffentlichten Romane. Ich habe an der Nikolaus-Kopernikus-Universität polnische Philologie studiert und war Kulturhausleiter in Karlino. „Die Königin des Winters hieß mein erstes Theaterstück. Ein Weihnachtsmärchen mit einer Frau in der Hauptrolle und keine Weihnachtsmänner ecetera.

My name ist Maria Blanke. My monument is for my unpublished novels. I studied Polish language and literature at Copernicus University and managed a cultural centre in Karlino. My first play was called "Winter Queen" – a christmas tale with a woman in the lead role. Instead of Father Christmasses and the other guys.

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Mein Name ist Münnever Gündüz. Ein Denkmal? Dafür dass ich nicht mehr obdachlos bin. Jeden Morgen um 8 Uhr bin ich mit dem Kinderwagen aus dem Frauenwohnheim und habe gesucht. Es war so kalt, dass die Milch in der Flasche gefroren ist. Wenn abends überall die Lichter angingen, stand ich draußen. Und dann, endlich, habe ich eine Wohnung gefunden.

My name is Münnever Gündüz. A monument? For the fact that I am no longer homeless. Every morning at 8:oo I left the women’s shelter with my pram and looked for what I could find. It was so cold that the milk froze in the bottle. When the lights went on in the evening, I stood outside. An then – at last – I found a place to live.

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Mein Name ist Regina Zickler. Ich könnte ein Denkmal für die letzten zwei Jahre gebrauchen. Die waren eine Katastrophe. Erst habe ich meine Stelle verloren - ich war Leiterin in einem Lebensmittelgeschäft. Dann ist mein Mutter gestorben. Dann kam mein Mann in Krankenhaus. Und dann ist auch noch was Wasserrohr gebrochen.

My name is Regina Zickler. I could do with a monument for the last two years. They were a complete disaster. First I lost my job – managing a grocery. And then my mother died. Then my husband ended up in hospital. And then the water pipe burst.

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Mein Name ist Maria Daniel. Ein Denkmal...für mich? Manchmal denke ich, ich wär’ besser tot. Damals ist ein großer Lastwagen gekommen. Wir mussten alle drauf. Da hat meine Mutter geflüstert: Los, spring! Vater, Mutter, Schwestern, Brüder - alle nach Auschwitz. Alle tot.

My name is Maria Daniel. A monument... for me? Sometimes I think I’d rather be dead. A big truck came. We all had to climb in. Then my mother whispered: Go on, jump! Father, mother, sisters, brothers – all of them were carted off to Auschwitz. All dead and gone.

 

Ausstellungen & Bücher
Exhibitions & Books

MEIN DENKMAL wurde vielfach im öffentlichen Raum gezeigt
MY MONUMENT has been widely exhibited in public space

 

“Surprised by the life that opens up in front of me with every sentence. Everyone carries their world on their back like an invisible house.”
– Harper’s Magazine

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